Das latente Hopfenviroid (HLVd) ist ein winziger, molekularer Parasit, der die Blütenproduktion und -qualität von infizierten Cannabispflanzen erheblich mindern kann.
Was ist ein Viroid?
Viroide sind die kleinsten bekannten, infektiösen Krankheitserreger. Sie bestehen ausschließlich aus genetischem Material. Im Gegensatz zu Viren, deren Erbinformation von einer schützenden Hülle umgeben ist, sind Viroide nackte RNA. Diese RNA enthält, ähnlich wie auch die DNA, alle Informationen, die ein Viroid benötigt, um sich innerhalb seines Wirtes zu vermehren.
Wie stabil sind Viroide tatsächlich?
Studien haben gezeigt, dass Viroide auch länger als 24 Stunden auf den meisten Oberflächen infektiös bleiben können, sogar 7 Wochen im Wasser und Monate bis Jahre in getrockneten Pflanzenabfällen und Samen.
Viroide sind nackte RNA, daher wird oft angenommen, dass sie instabil sind und außerhalb eines Wirts nicht lange infektiös bleiben können. Diese Annahme basiert auf die vergleichsweise zerbrechlichen Natur eines RNA-Moleküls. Viroide sind jedoch kein gewöhnliches RNA-Molekül. Es handelt sich um zirkuläre Moleküle mit stabähnlicher (rod-like) Sekundärstruktur. Diese Struktur ist durch interne Basenpaarungen gekennzeichnet, die der Viroiden ihre stabile Form geben.
Wie vermehrt sich das latente Hopfenviroid?
Viroide sind intrazelluläre Parasiten, die vollständig von der Wirtspflanze für ihre Vermehrung abhängig sind. Sie existieren hauptsächlich innerhalb des Zellkerns einer Pflanze, wo sie die innere molekulare Maschinerie dazu zwingen, nicht mehr für die Pflanze zu arbeiten, sondern stattdessen das Viroid zu replizieren.
Woher stammt das latente Hopfenviroid?
Das latente Hopfenviroid wurde erstmals 1987 in Bierhopfen entdeckt und charakterisiert. In Hopfen verläuft eine Infektion mit dem HLVd größtenteils asymptomatisch, was dazu geführt hat, dass sich dieser Erreger sehr einfach global verbreiten konnte. Das latente Hopfenviroid wurde bereits auf allen Kontinenten der Welt identifiziert.
In Cannabispflanzen wurde HLVd erstmals im Jahr 2019 in Kalifornien, USA, nachgewiesen.
Wie weit ist HLVd in den europäischen Cannabis-Kulturen ausgebreitet?
Aufgrund mangelnder Studien im europäischen Raum kann diesbezüglich nur auf Daten von Analyselaboren sowie auf die Annahme, dass sich die Ausbreitung ähnlich wie Nordamerika verläuft, zurückgegriffen werden. Demnach kann mit Sicherheit behauptet werden, dass das latente Hopfenviroid in den europäischen Cannabis-Kulturen weit ausgebreitet ist.
Wie sehen die Symptome eines Befalls aus?
Das latente Hopfenviroid hat sehr unspezifische Auswirkungen auf befallene Pflanzen. Rein optisch können die Symptome von schwerwiegend bis extrem subtil reichen. Häufig beobachtete Symptome sind:
- Stunting (Verkümmerung): Eine der häufigsten Auswirkungen von HLVd auf Cannabispflanzen ist das verkümmerte Wachstum. Infizierte Pflanzen bleiben oft kleiner als gesunde Pflanzen, was auch in einer Ertragsminderung resultiert.
- Verringerte Blattgröße und Blattdeformationen: Die Blätter befallener Pflanzen können kleiner sein und abnormale Formen oder Krümmungen aufweisen.
- Reduzierte Blütenproduktion und -qualität: HLVd kann dazu führen, dass Cannabispflanzen weniger und kleinere Blüten bilden. Die Blüten können auch eine geringere Dichte an Trichomen aufweisen, was direkt die Qualität und Menge der produzierten Cannabinoide und Terpene beeinflusst.
- Gelbfärbung der Blätter (Chlorose): Einige infizierte Pflanzen zeigen eine Gelbfärbung der Blätter, insbesondere an den jüngeren Blättern, was auf eine Beeinträchtigung der Nährstoffaufnahme oder Photosynthese hindeuten kann.
- Allgemeine Schwächung der Pflanze: Infizierte Pflanzen können allgemein weniger robust erscheinen und eine geringere Widerstandsfähigkeit gegenüber Stressfaktoren wie Trockenheit oder Schädlingen aufweisen.
Asymptomatische Infektionen
Das latente Hopfenviroid kann jedoch auch versteckt (asymptomatisch) auftreten, insbesondere bei neu infizierten Pflanzen oder Pflanzen im vegetativen Zustand. Obwohl Symptome möglicherweise nicht offensichtlich sind, können diese Pflanzen die Infektion trotzdem auf gesunde Pflanzen in einer Anlage übertragen. Das latente Hopfenviroid kann daher nicht allein anhand von Symptomen diagnostiziert werden. Der einzige Weg, um einen Befall ganz sicher festzustellen, ist die Testung.
Wie kann der latente Hopfenviroid übertragen werden?
Mechanische Übertragung: Das latente Hopfenviroid wird hauptsächlich über den mechanischen Weg verbreitet. Damit sich die Infektion ausbreiten kann, muss der Pflanzensaft einer befallenen Pflanze Zugang zu einer Wunde oder Mikroverletzung an einer gesunden Pflanze erhalten. Die häufigste Art der Verbreitung von Viroiden in einer Einrichtung erfolgt während des Pflanzenschnitts. Wenn Werkzeuge nicht ordnungsgemäß sterilisiert werden, nachdem eine Pflanze beschnitten wurde, übertragen diese Werkzeuge HLVd ganz leicht auf andere Pflanzen.
Übertragung durch Samen:
Bis zu 80 % der Samen befallener Pflanzen tragen das Viroid in sich. Die vertikale Übertragung erfolgt sowohl bei der Befruchtung von befallenen weiblichen Pflanzen mit Pollen von gesunden männlichen Pflanzen als auch umgekehrt. (Das Viroid kann also auch mit Pollen verbreitet werden.)
Übertragung durch Wasser:
Viroide sind in hoher Konzentration in den Wurzeln vorhanden und können von den Wurzeln auch in das Abflusswasser gelangen. Wasser, das mit hohen Viroidkonzentrationen kontaminiert ist, kann die Infektion auf gesunde Pflanzen übertragen. Wenn wiederverwendetes Wasser oder gemeinsam genutzte Wasserquellen verwendet werden, ist die Übertragung über das Wasser ein potenzielles Risiko.
Übertragung von Pilzen und Viren über Schädlinge und Insekten:
Derzeit liegen keine veröffentlichten Publikationen vor, die eine Übertragung des latenten Hopfenviroids durch Insekten darlegen. Allerdings werden zahlreiche andere Viroide von Insekten übertragen, was die Insektenübertragung von HLVd sehr plausibel macht. Aktuelle Berichte legen außerdem nahe, dass pathogene Pilze wie Fusarium in der Lage sind, die Replikation von Viroiden zu unterstützen und auch die Infektion auf Wirtspflanzen zu verbreiten.
Wie hält man seine Produktion sauber von HLVd?
Die effektivste Möglichkeit, die Einrichtung vor dem latenten Hopfenviroid zu schützen, ist gute Prävention und Hygiene. Es gibt keine oberflächliche Behandlung oder Heilung für HLVd, sollte die Infektion bereits stattgefunden haben. Während kritische Sorten durch einen langwierigen Gewebekulturprozess gereinigt werden können, gibt es nichts, was eine erfolglose Ernte aufgrund des latenten Hopfenviroids retten kann – außer eine saubere und aufmerksame Arbeitsweise, Hygiene und vorbeugende Maßnahmen.
Was sind geeignete Desinfektionsmittel?
Da es sich bei Viroiden um nackte RNA handelt, sind viele übliche Desinfektionsmittel nicht wirksam, um das latente Hopfenviroid zu zerstören. Das einzige handelsübliche Desinfektionsmittel, das sich als zuverlässig erwiesen hat, ist normales Haushaltsbleichmittel (Natriumhypochlorit). Um Kontaminationen zu entfernen, sollten Werkzeuge in einer verdünnten Bleichlösung für mindestens 60 Sekunden eingeweicht und danach abgespült oder trockengewischt werden. Ein Wechsel zwischen mehreren Paaren von Scheren in einem Eimer mit Bleichlösung kann die Desinfektion beim Schneiden effizienter gestalten. Es empfiehlt sich, auch Oberflächen und Pflanzengefäße mit Bleiche zu behandeln
Gängige Desinfektionsmittel, die NICHT gegen Viroide wirken, umfassen Alkohole (in jeder Konzentration) oder Wasserstoffperoxid. Auch die Hitzesterilisation oder UV Bestrahlung sind nicht zu 100% wirksam.
Wie oft sollte man auf das latente Hopfenviroid testen?
Das latente Hopfenviroid kann nicht allein anhand von Symptomen diagnostiziert werden. Der einzige Weg, um festzustellen, ob eine Pflanze infiziert ist, ist durch einen diagnostischen Test. Aufgrund der Verbreitung und des potenziellen wirtschaftlichen Verlusts durch diesen Erreger wird empfohlen, eine umfassende Testungsstrategie für die ganze Anlage zu etablieren. Näheres dazu entnehmen sie aus unserer Anleitung.
Wie entnehme ich meine Proben auf die richtige Art & Weise?
Die Probennahme ist in unserer Anleitung (Aleitung zur Probennahme) ausführlich beschrieben.
Quellen:
Adkar-Purushothama CR, Sano T & Perreault JP. (2023) „Hop Latent Viroid: A Hidden Threat to the Cannabis Industry.“ Viruses, 15, DOI: https://doi.org/10.3390/v15030681
Atallah, O.O.; Yassin, S.M.; Verchot, J. (2024). “New Insights into Hop Latent Viroid Detection, Infectivity, Host Range, and Transmission.“ Viruses, 16, 30. https://doi.org/10.3390/v16010030
Bektas, Ali & Hardwick, Kayla & Waterman, Kristen & Kristof, Jessica. (2019) “The Occurrence of Hop Latent Viroid in Cannabis sativa with symptoms of Cannabis Stunting Disease in California.” Plant Disease. 103. 10.1094/PDIS-03-19-0459-PDN.
Mackie AE, Coutts BA, Barbetti MJ, Rodoni BC, McKirdy SJ, Jones RAC. (2015) „Potato spindle tuber viroid: Stability on Common Surfaces and Inactivation With Disinfectants.“ Plant Dis. 2015 Jun;99(6):770-775. doi: 10.1094/PDIS-09-14-0929-RE.
Puchta H, Ramm K, Sänger HL. (1988) „The molecular structure of hop latent viroid (HLV), a new viroid occurring worldwide in hops.“ Nucleic Acids Res., 16, 4197–4216. https://doi.org/10.1093%2Fnar%2F16.10.4197
Punja, Zamir & Wang, Keri & Lung, Samantha & Buirs, Liam. (2023) „Symptomology, prevalence, and impact of Hop latent viroid on greenhouse-grown cannabis (Cannabis sativa L.) plants in Canada.“ Canadian Journal of Plant Pathology. 46. 1-24. 10.1080/07060661.2023.2279184.
Serra P, Carbonell A, Navarro B, Gago-Zachert S, Li S, Di Serio F, Flores R. (2020) „Symptomatic plant viroid infections in phytopathogenic fungi: A request for a critical reassessment.“ Proc Natl Acad Sci U S A. 2020 May 12;117(19):10126-10128. doi: 10.1073/pnas.1922249117.